„Draußen ist schon Sommer! Ich freu mich, ich freu mich!“ höre ich meine Tochter singen, während sie das passende Puzzleteil für die rechte obere Ecke sucht. „Lalala… freu mich!“ Ganz vertieft sitzt mitten im Wohnzimmer auf dem Boden. Sie puzzelt ihr Lieblingspuzzle und singt dazu. Völlig versunken. Konzentriert. Entspannt. Was ist denn das für ein Lied? Ein Ausgedachtes. Ich jedenfalls kenne es nicht. Immer mal wieder höre ich dazwischen Tonfolgen, die mir bekannt sind. Aber ansonsten ist es frei erfunden. Aus dem Moment entstanden. Und ich liebe diese Momente. Friedlich und entspannt. Ganz bei sich. Wundervoll!
Ja, meine Kinder singen viel und ich auch. Jeden Tag. Unser Alltag ist voller Musik. Und das liegt nicht nur daran, dass ich Musikerin bin. Nein, wir singen, weil es gut tut! Es macht so vieles leichter. Singen bringt Entspannung ins Familienleben und macht Spaß. Denkst du jetzt „Wie bitte soll das funktionieren?“ oder „Mag ja sein, aber für uns passt das nicht!“? Lass Dich mitnehmen auf eine kleine Reise in die Welt der Töne und Klänge für mehr Entspannung auch in Deinem Alltag. Bist du dabei?
Warum das Singen für die Entwicklung deines Kindes so positiv ist
Singen hat unzählige positive Aspekte: Es sensibilisiert das Gehör, es fördert Konzentration und Aufmerksamkeit und es erhöht die Körperspannung und Körperwahrnehmung. Es schult die Sprache und das Artikulationsvermögen, es stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und das Selbstvertrauen. Und es macht Freude! Der wichtigste Aspekt aber, der gerade in dieser für Familien so herausfordernden Zeit von Bedeutung sein dürfte, ist: Singen entspannt!
In einer Studie, die britische Wissenschaftler im Fachjournal Ecancermedicalscience veröffentlichten, wurden 193 Mitglieder von 5 verschiedenen Chören in Großbritannien untersucht. Die Probanden mussten vor und nach der Chorprobe Speichelproben abgeben, die auf verschiedene Stoffe wie Hormone, Immunproteine und Rezeptoren untersucht wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Singen senkt den Spiegel des Stresshormons Cortisol. Mit anderen Worten: Singen entspannt!
In einer anderen Studie von Thomas Blank und Karl Adamek wurden die Auswirkungen des Singens bei 500 Kindern im Kindergartenalter untersucht. Meine oben genannten positiven Auswirkungen wurden bestätigt. Aber besonders interessant scheinen mir die neurobiologischen Ergebnisse: Botenstoffe im Gehirn, die beim Singen ausgeschüttet werden, reduzieren Aggression und machenglücklich! („Singen in der Kindheit – Eine empirische Studie zur Gesundheit und Schulfähigkeit von Kindergartenkindern und das Canto elementar-Konzept zum Praxistransfer“. Waxmann-Verlag 2010).
Was hält Dich also davon ab mehr mit Deinen Kindern zu singen?
Wie schön wäre es ein entspannteres Familienleben zu haben?
Was hält die meisten Eltern davon ab regelmäßig mit ihren Kindern zu singen? Das sind die Top 5 der meistgehörten Gründe:
1. „Wir gehen jede Woche in der Musikschule“
Als Leiterin einer Singschule freu ich mich darüber. Musikkurse sind super, aber ob sie taugen auf Dauer den Alltag zu entspannen? Wie lange wird dort gesungen? 30 Minuten? 45 Minuten? Wie viele Minuten hat ein Tag? Wie viele Tage eine Woche? Glaube mir, wenn du im Alltag Entspannung spüren möchtest, dann reicht ein Termin pro Woche nicht aus.
2. „Mein Kind hört ganz oft Musik“
Kinderlieder tönen durch die Wohnung. Kinderlieder von mehr oder weniger hörenswerten Audios oder Videos. Im Idealfall animieren sie mitzusingen. Aber noch besser ist es, wenn Du mit deinem Kind singst! Es ist wie beim Essen: Kochbücher anschauen macht Spaß! Aber um zu satt zu werden, musst du essen! Du musst aktiv werden und es tun! Selber. Passivität ist hier nicht gefragt. Die Forscher haben sich nicht damit beschäftigt, was passiert, wenn Kinder Musik hören. Sie haben herausgefunden, dass Singen dann entspannt, wenn gesungen wird. So einfach. So logisch!
3. „Aber ich kann ja gar nicht singen!“
Bist du sicher? Lass uns schauen: Wie singt man? Man atmet ein und beim Ausatmen versetzt die Luft deine Stimmlippen in Schwingung und es entsteht ein Ton. Wie beim Sprechen! Das heißt: Wer sprechen kann, kann auch singen! Rein physiologisch gibt es kaum Unterschiede. Unsere Kinder haben da deutlich weniger Ängste. Sie singen einfach. Mund auf und los! Und je öfter ihr zusammen singt, desto gewohnter wird es!
4. „Es klingt nicht so schön!“
Was bedeutet schön? Wer definiert schön? Es ist doch kein Wettbewerb um die klangvollste Stimme! Es geht um Dein Wohlbefinden und um das deines Kindes. Es geht nicht darum perfekte Töne zu singen! „Die Wälder wären still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen.“, sagt Henry van Dyke und ich denke, er hat Recht.
5. „Ich hab´ keine Zeit!“
„Versteh ich ja, dass Singen wichtig ist, aber wann bitte soll ich das denn auch noch machen?“ hör ich dich sagen und als Mama von drei kleinen Kindern und einem vollen Alltag kann ich Dich gut verstehen. Wer kann einen weiteren Punkt auf der nicht enden wollenden Liste der Aufgaben und Pflichten gebrauchen? Aber die gute Nachricht ist: Es lässt sich ganz einfach in den Tag integrieren. Das Geheimnis sind Musikfenster. Sie sorgen dafür, dass Du jeden Tag Zeit findest mit Deinem Kind zu singen. Im nächsten Artikel zeig ich dir, wie du deine Musikfenster findest.
Alles Liebe,
Deine Marie Flessa